Paid-Content-Wachstum bei Regionalverlagen
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Darum ist Wachstum bei Paid Content für Verlage so wichtig – und möglich!

Joachim Dreykluft · 13 August, 2024

Werde ich nach einer einfachen Strategieformel für Regionalverlage gefragt, antworte ich: Ihr braucht perspektivisch einen Drittel-Mix aus Print, E-Paper und Plus. Aber wie komme ich eigentlich darauf? Und was heißt das genau in Zahlen?


Nehmen wir zunächst Print. Laut BDZV erreichten regionale Abonnementzeitungen im zweiten Quartal 2023 eine Print-Auflage von 7,4 Mio. Exemplaren, ein Minus von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Treiber dieser negativen Entwicklungen ist die schwierige Konjunktur mit wachsender Preissensibilität. Ich denke aber, dass dieser Faktor inzwischen zu vernachlässigen ist. Wer heute noch Print liest, ist Print-Fan mit fester Verankerung des Print-Rituals im Tagesablauf. Die Kosten des Abos spielen bei vielen eine untergeordnete Rolle.


„Es lohnt sich nicht, gegen Print-Verluste anzukämpfen"


Ein Großteil der Aboverluste dürfte vielmehr auf Sterbefälle zurückzuführen sein. Nach Schätzungen sind gut ein Drittel der Abonnentinnen und Abonnenten inzwischen älter als 80 Jahre. Das ist noch kein unmittelbares Alarmsignal. Wer genau 80 ist, hat als Mann eine statistische Lebenserwartung von noch 7,97 Jahren, Frauen von 9,49 Jahren (Quelle: https://www.aba-online.de/restlebenserwartung-ab-65). Die Aboverluste aus dieser Gruppe werden sich also über viele Jahre verteilen, aber insgesamt zu einer Beschleunigung beitragen.


Nehmen wir an, in den nächsten sieben Jahren werden wir durchschnittlich pro Jahr zehn Prozent Print-Auflage im Regionalen verlieren. Dann liegt die Branche bei einer Gesamtauflage von 3,5 Milionen. Meine feste Überzeugung: Es lohnt sich nicht, dagegen anzukämpfen.


Zum E-Paper. 1,5 Mio. Exemplare verkauften regionale Anbieter im zweiten Quartal 2023, ein Plus von 9,3 Prozent zum Vorjahreszeitpunkt. Dieses Wachstum ist beeindruckend, aber nicht ausreichend, um in sieben Jahren auf ebenfalls 3,5 Mio. Abos zu kommen. Es wären lediglich 2,7 Mio. Erst bei 13 Prozent Wachstum im Jahr wäre das Ziel zu erreichen.


E-Paper mit mehr Inhalt als Print? Natürlich!


Was wäre dafür zu tun? Man könnte etwa diejenigen abholen, die tatsächlich die Zeitung aus Preisgründen kündigen. Immerhin ist das E-Paper im Schnitt 31 Prozent günstiger. Und man müsste das E-Paper attraktiver machen. Denn es hat viele Vorteile (digital, flexibel, pünktlich in der Zustellung, auch jenseits des Wohnorts verfügbar, oft schon am Vorabend lesbar, etc.), aber auch Nachteile. So lässt es sich mit Familie und Freunden oft schlecht teilen oder weitergeben – bei der Zeitung ist beides normal und Kaufanreiz. Und es ist auch kein Problem, das E-Paper mit mehr Inhalt als die Print-Zeitung attraktiver zu machen – wenn nur die Schere in manchen Köpfen nicht wäre, dass das teurere Angebot Print keinen Nachteil beim Umfang haben darf.



Abschließend die Plus-Abos. Hier gibt es leider keine Gesamtzahl für alle lokalen und regionalen Anbieter, ich gehe (ohne Proben und Tagespässe) von vielleicht 700.000 aus (wer eine genauere Zahl kennt oder eine gut begründete andere Schätzung: sehr gerne!). Satte 26 Prozent müsste hier die jährliche Steigerung sein, um 2030 ebenfalls bei 3,5 Mio. anzukommen.


Plus-Abos sind oft das ungeliebte Billigprodukt im Regal


Unmöglich, angesichts der aktuellen Fast-Stagnation? Unsinn! Das Wachstum wird hier nicht begrenzt durch einen Markt, der nicht mehr hergibt. Denn regionale Angebote werden gut genutzt, viele haben hohe Reichweiten, die aber überwiegend von Nicht-Abonnenten stammen. Es gibt also viel grundsätzliches Interesse, nun muss daran gearbeitet werden, Zahlungsbereitschaft zu erzeugen.


Aber wie groß ist das Potenzial eigentlich für Plus-Abos?
Meine Faustformel hierzu: Die Zahl der Menschen im Verbeitungsbiet, geteilt durch 30. Beispiel: Bei einem Verbreitungsgebiet von 1 Mio. Menschen bedeutet das 33.000 Abos. Bei allen regionalen Angeboten, deren Zahlen ich kenne, liegt die tatsächliche Abonnentenzahl deutlich unter dem Ergebnis der Faustformel, berechnet auf Basis der Größe des eigenen Verbreitungsgebiets. Es gibt also noch viel Potenzial.


Es mangelt eher an strategischem Fokus, das Potenzial auszuschöpfen (ausdrücklich inklusive „Print-Kanibalisierung") und neue Zielgruppen für Lokaljournalismus zu begeistern.


Plus-Abos sind allzu oft das ungeliebte Billigprodukt im Regal, das das Premiumangebot Print kannibalisiert. Dabei sind Plus-Abos der eigentliche Hebel für die lokale und regionale News-Branche, mittel- und langfristig wieder auf eine bezahlte Gesamtauflage von mehr als 10 Mio. zu kommen. Das ist zwar weit entfernt von den 18 Mio. des Jahres 1995, aber ausreichend, um publizistisch bedeutsam und wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.


Joachim Dreykluft ist Head of Data & AI Strategy bei Upscore