Das Geheimnis hinter KI-Nutzerbindung

Letztens fielen bei einer Podiumsdiskussion die interessanten Sätze: „... wir reden bei KI sehr viel über Technik. Es wird bei dem KI-Rennen aber nicht die beste Technik gewinnen, sondern die beste UX …”. Das klingt plausibel (im Consumer-Bereich war es bei Computern, Smartphones etc. auch so), aber was bedeutet das für das digitale Publizieren?
Fakt ist, dass die großen KI-Anbieter versuchen, die Nutzer fester an sich zu binden. Dazu wird aktuell groß ausgeholt mit den Hebeln Omnipräsenz („ubiquity“) und Benutzerfreundlichkeit („UX“). Dabei sieht man eine klare Entwicklung, die mit ChatGPT begann: Man besucht die OpenAI-Webseite und erhält mit der Hilfe von Prompts Antworten auf Fragen, stellt gegebenenfalls Folgefragen und verfeinert so die Antworten.
ChatGPT wird nach eigenen Angaben nun dominant im privaten Kontext genutzt (zu der Typisierung der Nutzeranfragen hier unser Blogpost mit der Zusammenfassung).
Google hat mit der Funktion Übersicht mit KI („AI Overviews“) einen überaus aggressiven Schritt gewagt. In Deutschland wurde die Funktion im Juni 2025 flächendeckend eingeführt. Heute sind hierzulande schätzungsweise knapp 20% der Google Suchergebnisse mit den KI-Übersichten versehen.
Für den einzelnen Google-Nutzer ist das natürlich sehr bequem – man sucht einfach, wie man es über Jahre gelernt hat und bekommt komprimierte Ergebnisse, ohne dass man zu einem Inhalteanbieter klicken muss, was wieder Ladezeit und eine andere Seitennavigation bedeutet.
Google hat also einen gute UX geschaffen, riskiert aber Teile seiner Search-Monetarisierung (weniger Klicks auf Sponsored Links). So was macht man nur, wenn es die Konkurrenzsituation gebietet.
Ich denke aber, dass Google damit einen ganz wesentlichen Teil des Nutzertraffics gegenüber der Konkurrenz absichert. Wird sich Google überlegt haben, was das für Publisher bedeutet? Vielleicht, aber Einfluss hatte das nicht. Die Integration von Gemini in Google Chrome ist nur ein weiterer Schritt, wirkt aber aus Nutzersicht noch ziemlich konstruiert.
Was machen die anderen? Perplexity hat z. B. vergangenen Dienstag seinen KI-Browser „Comet“ für Desktop allgemein verfügbar gemacht. Als Suchmaschine ist Perplexity.ai standardmäßig voreingestellt. Wenn eingerichtet, kann „Comet“ auch auf E-Mails und Kalender von Google und Outlook, sowie Google Drive, Notion, GitHub, Slack, WhatsApp etc. zugreifen. Mit diesen Informationen kann „Comet“ z. B. Treffen organisieren, Reisen buchen, Einkaufen, E-Mails schreiben oder Aufgaben auflisten.
OpenAI hat mit „Pulse“ ein ähnliches Konzept vorgestellt. Auch hier kann auf persönliche Informationen wie E-Mail, Kalender, etc. Zugriff gewährt werden. Das Ergebnis ist aber mehr ein „Daily Digest“, also Empfehlungen, To-Do-Listen und Vorschläge für Hintergrundrecherchen etc. Aktuell ist das den Nutzern mit ChatGPT-Pro-Konten vorbehalten. Das ist aber vermutlich nur temporär.
Werden sich „Comet“ und „Pulse“ im nicht-professionellen Bereich durchsetzen? Schwer zu sagen – das wird sicher eine Weile dauern und bedarf vermutlich auch Funktionen, die Konsumenten mit Informationen und Nachrichten versorgen. Und die müssen ja irgendwo herkommen.
Bezüglich einer geschäftlichen Nutzung muss man fast schon schreien: Das ist die „Hölle für Geschäftsgeheimnisse, Vertraulichkeit und Sicherheit“. Für Journalisten gilt das doppelt.
Fazit für Publisher: Es gibt wirklich keine Alternative zum Aufbau und Pflege eigener Kundenbeziehungen mit Lesern/Nutzern, sei es durch Abos, Registrierungen, Newsletter, Events oder Präsenz im urbanen oder regionalen Raum. Aber auch: „Augen auf” beim Einsatz von KI im eigenen Haus.
Andreas Demuth ist geschäftsführender Gesellschafter bei Upscore.